"eine Leidenschaft, die Leiden schafft"
Berchtesgadener Land Radmarathon (2010)

"eine Leidenschaft, die Leiden schafft"

So musste ich noch nie leiden

Beim letzten von 4 Rennen zum CHIBA Alpencup Extrem galt es den 2. Platz in der Gesamtwertung zu halten. Ich hatte vor dem TirolWest Radmarathon auf den erstplatzierten Frank Haun einen Rückstand von ca. 11 Minuten und auf den Dritten Hans Miggenrieder einen Vorsprung von 17 Minuten. Vorweg: Meinen 2. Platz in der Gesamtwertung konnte ich verteidigen, aber um welchen Preis. Seit 4 Jahren betreibe ich ernsthaft Radsport und in dieser gesamten Zeit musste ich nicht einmal annähernd so leiden, wie beim 1. TirolWest Radmarathon in Landeck. Mein Puls war viel zu hoch, ich hatte fast einen Hitzschlag und Muskelkrämpfe über mehrere Stunden machten mir schwer zu schaffen. Diese Krämpfe hätten mich fast zur Aufgabe gezwungen, aber ich hab mich durchgebissen.

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Startaufstellung um 06:30 Uhr

Fast ohne Schlaf fuhren wir (mein Vater und ich) um 3:00 Uhr in der Nacht nach Landeck. Um kurz nach halb sechs erhielt ich meine Startunterlagen und ich traf die letzen Vorbereitungen, um das letzte Alpencup-Rennen 2008, unter die Räder zu nehmen. Kurz vor dem Startschuss schaffte es auch Stefan gerade noch, sich im Startblock einzufinden und so sollte einer meiner schmerzhaftesten Radsporttage seinen Lauf nehmen. Einer der schmerzhaftesten Tage war es übrigens nur, weil ich mal einen schweren Unfall hatte, bei dem es mir die Elle und Speiche durch den Ellenbogen gebohrt hatte. Somit war der TirolWest Radmarathon definitiv die qualvollste Radtour ohne einen Unfall :-(

Das Rennen verlief zunächst sehr angenehm. Der erste moderate Anstieg zur Bieler Höhe war für die Anfangsphase eines schweren Radmarathons ideal gewählt. So konnte man sich bei noch verträglichem Tempo warm fahren um dann später für den Arlbergpass gewappnet zu sein. Die erste Gruppe zerfiel auch bis zum Arlberg nicht, da der einzige Ausreißversuch von Paul Lindner und dem späteren Sieger nach ein paar Kilometern wieder vereitelt wurde. Nach der Passhöhe folgte eine völlig vernebelte und gefährliche Abfahrt nach Bludenz. Ein paar Kilometer nach Bludenz, gab es nun am laufenden Band Attacken und Ausreißversuche. Diese interessierten mich jedoch nicht, da ich bereits Schwierigkeiten hatte dem Gruppentempo zu folgen. Etwas später bildete sich eine Gruppe in der ich mich verzweifelt versuchte zu halten. Hans Miggenrieder war auch in meiner Gruppe und von seinen Eltern bekam ich kurz vor der Abzweigung zum Flexenpass noch zwei neue Trinkflaschen. Vielen, vielen Dank nochmals! Für mich war das Tempo der vergangenen Kilometer jedoch zu hoch gewesen und ich musste es nun bei der Auffahrt zum Flexenpass büßen. Bei allem Ehrgeiz und meiner ausgeprägten Willenskraft konnte ich der Gruppe nicht mehr folgen und musste sie ziehen lassen. Ich blieb jedoch bis zur Passhöhe auf Blickkontakt und konnte mit Müh und Not das Loch bei der Abfahrt nach Lech wieder zufahren.

Zu diesem Zeitpunkt war bereits klar, dass ich einen ganz schlechten Tag erwischt hatte und dass es über das Hahntennjoch sehr, sehr, sehr schwer werden würde. Auf den flacheren Abschnitten durch das Lechtal konnte ich zwar wieder etwas regenerieren, aber meine Muskeln hatte ich bereits am Arlberg und Flexen abgeschossen, was sich später zeigen sollte. Bereits im unteren Teil des Hahntennjoches wiederholten sich die Ereignisse vom Flexenpass und ich musste auch hier die Gruppe ziehen lassen. Ich machte mir zu diesem Zeitpunkt keine Illusionen mehr und meine Taktik stand fest: Ich wollte mein eigenes Tempo finden und die restlichen Kilometer bis nach Landeck alleine zurücklegen. Wenn irgendwie möglich, wollte ich meinen Vorsprung von 17 Minuten auf meinen Freund Hans Miggenrieder verteidigen. Hans war auch in der Gruppe, welche mir am Hahntennjoch unten stehen ließ. Bei meiner körperlichen Verfassung hatte ich ernsthafte Bedenken, ob dieser 17-Minuten-Vorsprung reichen würde. An den steileren Stücken verlor ich auf die Gruppe immer einige Meter und sobald es etwas flacher wurde, konnte ich den Abstand halten oder sogar noch etwas verkürzen. Da ich das Hahntennjoch jedoch kannte, war mir klar: Im oberen steilen Teil wird es für mich sehr, sehr schwer – vielleicht zu schwer! Zu dieser Zeit brannte die Sonne mit all ihrer Kraft und ließ aus meinem Helm einen Wasserfall entspringen. Ich hatte zwar reichlich getrunken, konnte jedoch meinen Körper nicht mehr ausreichend abkühlen, da ich auch noch eine Windweste mitschleppen musste. Diese steilen Kilometer haben mir alles abverlangt und ich konnte die Kurbel mit dem kleinsten Gang kaum mehr bewegen. Ich wollte jedoch die Gesamtwertung nicht aufgeben und wenigstens einmal in diesem Jahr aufs Podium steigen. Ich fuhr völlig überhitzt und im Nirvana mit ca. 7 km/h vor mich hin und musste aufpassen, dass ich das Gleichgewicht nicht verlor und umkippte. Irgendwann war ein Punkt erreicht und ich musste dringend was ausprobieren. Ich legte mein Fahrrad in die Wiese, nahm meine Trinkflaschen und kletterte runter zu einem Gebirgsbach. Hier goss ich mir mehrere Trinkflaschen mit eiskaltem Gebirgswasser über den Kopf und den restlichen Körper. Zum Schluss füllte ich nochmals beide Flaschen und fuhr mit Schritttempo weiter in Richtung Passhöhe. Als ich diese Tortur endlich hinter mich gebracht hatte, freute ich mich auf die Abkühlung während der anschließenden Abfahrt.

In Imst angekommen galt es noch die letzten 20 flachen bis welligen Kilometer hinter sich zu bringen. Meine Schmerzen bekam ich jedoch nicht mehr los - im Gegenteil, sie wurden noch schlimmer. Etwa 5 Kilometer vor Landeck bekam ich beidseitige Oberschenkelkrämpfe, welche eine Weiterfahrt fast unmöglich gemacht haben. Die kompletten Muskeln zogen sich zusammen und verursachten höllische Schmerzen. Ein paar Kilometer konnte ich nur noch stehend (also im Wiegetritt) zurücklegen. Im Ziel wurde ich bereits von Hans, seiner Schwester Susanne, seinen Eltern und den 2 Petern empfangen :-) Nach ein paar isotonischen Getränken und etwas Abkühlung fing sich mein Körper langsam wieder und die Schmerzen wurden etwas erträglicher.

Im Anschluss an den Radmarathon musste ich noch gefühlte 5 Kilometer bis zu den Duschen laufen, wurde dafür aber mit eiskaltem Wasser belohnt :-( Als ich die gefühlten 5 und realen 3 Kilometer wieder zurückgelegt hatte, musste mein ausgezehrter Körper erst einmal mit fettiger und süßer Nahrung versorgt werden. Hierbei wurde mein Vater Zeuge, wie schnell und "guiness-buch-verdächtig" eine Bratwurst mit Kartoffelsalat, ein Stück Kuchen und ein Tasse Kaffee in einem Radlerkörper verschwinden können ;-) Nun stand der angenehme Teil des Tages an, die Siegerehrung. Mein frisch gestärkter Körper war nun auch wieder fähig, die Stufe auf das Podium zu erklimmen. Nach dem Jahr 2006 wurde ich nun erneut Zweiter im Alpencup und konnte mich somit hinter Frank Haun und gerade noch vor Hans Miggenrieder einreihen. Den Pokal nahm ich natürlich mit dem Trikot der TSG Leutkirch freudestrahlend entgegen.

Mehr Infos und Fotos von der Siegerehrung findet ihr im nächsten Bericht.

Ergebnisliste (Platz 18 | 06:51:05 h)