"eine Leidenschaft, die Leiden schafft"
Berchtesgadener Land Radmarathon (2010)

"eine Leidenschaft, die Leiden schafft"

Eine Lehrstunde im Hillclimbing

Der Plan sah folgendes vor: Am Samstagabend nach dem Wattener Bergrennen sollte die Fahrt weiter nach Bruck gehen. Hier wollte ich im Auto übernachten und am Sonntag in der Früh das längste Bergrennen der Welt, den Glocknerkönig fahren. Die Realität wich leider vom Plan etwas ab. Ich bekam am Samstagabend in Wattens eine Lehrstunde im Bergsprint verpasst, dass ich mir eine weitere Lektion am Großglockner ersparen wollte.

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Aufgesetzte Lässigkeit kurz vor dem Start

Als ich vor einem Jahr mit dem Projekt "www.stefan-reich.de" begonnen hatte, habe ich mir vorgenommen nicht nur erfreuliche Meldungen und positive Ergebnisse zu verkünden, sondern auch über Rückschläge und Enttäuschungen zu schreiben. Hier ist der Beweis...

Am Samstagmittag ging es über den Fernpass in das 280 Kilometer entfernte Wattens bei Innsbruck. Nach einer knappen Stunde Warmfahren fiel der Startschuss zum Wattener Bergrennen. Am Start standen ungefähr 40 Einzelkämpfer, welche sich der Herausforderung von 700 Höhenmetern verteilt auf 6 Kilometer stellen wollten. Schon nach kurzer Zeit war klar, dass ich mit der Spitze nicht mitfahren konnte. Das hätte jedoch noch kein Problem dargestellt, da in dieser Führungsgruppe absolute Bergsprint- und Uphillspezialisten vertreten waren. Aber leider nahm mit zunehmender Steigung die Anzahl der Fahrer ab, welche noch hinter mir fuhren. Oder mit anderen Worten: Ich verlor einen Platz nach dem anderen. Zu diesem Zeitpunkt kam ich ins Grübeln, denn weder physisch noch psychisch fand ich ein Mittel um mich diesem Desaster zu entziehen. Am Ende haben mich Fahrer überholt, welche letztes Jahr an keinem Berg der Welt eine Chance gegen mich gehabt hätten - vorher wäre die Hölle eingefroren. Völlig entkräftet und mit einem mittelschweren mentalen Knacks kam ich nach 31 Minuten oben an. Hier konnte ich mich mit der Tatsache anfreunden, dass ungefähr gleich viel Fahrer vor mir in Ziel kamen wie nach mir. Eine weitere alarmierende Tatsache: Andi Traxl, einer der besten Uphiller, nahm mir auf 6 Kilometer stolze 5 Minuten ab. Letztes Jahr lag ich beim vergleichbaren Lightweight-Uphil-Rennen nur 29 Sekunden hinter Andi Traxl und dieses Rennen hat er trotz starker Konkurrenz sogar gewonnen. Nach diesen überdeutlichen Anzeichen, habe ich kurzerhand entschlossen, den Glocknerkönig auszulassen. Ich bin nach dem Rennen sofort wieder nach Hause gefahren.

Seit Wochen quält mich schon das Gefühl, dass ich am Berg und vor allem an steilen Passagen nicht konkurrenzfähig bin. Meinem Empfinden nach könnte ich problemlos relativ zügig 300 Kilometer fahren, aber deutlich kürzer und dafür wesentlich schneller, das geht leider nicht. Zum Einen fehlt mir die reine Muskelkraft und zum Anderen die anaerobe Leistungsfähigkeit. Letztes Jahr war der anaerobe Bereich mein größter Pluspunkt und ich konnte über einen längeren Zeitraum Laktat "versprühen" und mich völlig "abschießen". Aus diesem Grund, wollte ich mich in diesem Jahr verstärkt um die Grundlagen kümmern. Nach meiner jetzigen Einschätzung habe ich genau diesen gutgemeinten Ansatz übertrieben. Von November bis April habe ich ausschließlich im Grundlagenbereich und auf flachem Terrain trainiert. Dass ich dann innerhalb von ein paar Wochen 60.000 Höhenmeter gefahren bin, kam wahrscheinlich zu spät oder war sogar zu viel.

Nachdem ich zwei Nächte darüber geschlafen habe stellt sich die Situation aus meiner Sicht folgendermaßen dar: Ich kann diese Tatsache akzeptieren und vielleicht eher an flachen Straßenrennen teilnehmen oder ich packe das Problem an den Wurzeln und versuche es mit allem Nachdruck und schnellstmöglich zu beheben. Der erste Weg ist sicherlich einfacher, allerdings habe ich mir den Radrennsport nicht ausgesucht, weil er einfach ist. Wer mich also etwas näher kennt weiß, welche Entscheidung ich bereits getroffen habe?!

Ergebnisliste (Platz 19 | 00:31:03 h)