"eine Leidenschaft, die Leiden schafft"
Berchtesgadener Land Radmarathon (2010)

"eine Leidenschaft, die Leiden schafft"

Ein würdiger Sieger

Ich möchte den Bericht diesmal dem Rennen anpassen: Kleine Runde - kleiner Bericht. Ich habe mich nämlich noch während des Rennens für die kurze Runde entschieden. Für die lange Strecke war ich an diesem Tag zu schwach und für die kurze anscheinend zu langsam! Jedenfalls fehlten mir im Zielsprint genau zwei zehntel für einen Podiumsplatz. Aber von Anfang an...

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Vereinte Aufholjagd

Nachdem der "König von Mallorca" krankheitsbedingt absagen musste, fuhren Martin und ich ins wunderschöne Engadin nach Zernez. Dort angekommen unternahm Martin noch eine kleine Radtour, während ich im Hotel mein Bett und den Fernseher testen musste. Beim Abendessen trafen wir noch Martina und Tobi aus Ulm und danach ging's auch schon bald in die Heia (Hochdeutsch: ins Bett).

Am Sonntagmorgen war es doch etwas kühler als erwartet, mit meinem ärmellosen Trikot war ich jedenfalls der Blickfang in der Startaufstellung. Meine Gesundheit war jedoch nicht gefährdet, da es mir bereits nach den ersten Kilometern gen Ofenpass sehr warm wurde um nicht zu sagen heiß ;-) Meine Formprobleme waren mir zwar bekannt, ich habe dennoch bereits am Anfang sehr viel riskiert und bin längere Zeit (vielleicht zu lange) an der ersten Verfolgergruppe drangeblieben. Eine erste Verfolgergruppe konnte es natürlich nur geben, da die Alpencupführenden Andreas Rutishauser, Marc Lipowitz, Paul Lindner und noch ein paar andere Blitzstarter mit einem unglaublichen Anfangstempo eine Führungsgruppe formierten. Noch bevor es in den Tunnel nach Livigno ging, konnte ich nicht einmal das Tempo der Verfolgergruppe halten. So bin ich bereits hier und auch später am Berninapass immer wieder hinterher gehechelt. Während die Fahrer der zweiten Gruppe ihren Puls wahrscheinlich in der Abfahrt und im Flachen wieder stabilisieren konnten, musste ich immer Anschlag fahren um wieder aufzuschließen. Als mir das kurz vor Zernez nochmals gelang, war ich dafür völlig am Ende und bekam zu allem Überfluss auch noch erschöpfungsbedingte Magenprobleme.

So entschloss ich mich kurzerhand für die kleine Runde. Natürlich wurde ich somit aus der Alpencup-Wertung gestrichen, das war mir zu diesem Zeitpunkt jedoch schnurz egal. In dieser 24-Mann-großen Gruppe ging es jedoch noch um den 2. Platz der kleinen Runde. Ein Kurzstreckenfahrer war bereits mit Paul Lindner und Co. davongezogen, aber der zweite und dritte Podiumsplatz war noch zu vergeben. Nun galt es sich für den Sprint ums Podium vorteilhaft zu platzieren. Ich fuhr ans Hinterrad des Vorjahressiegers (kurze Strecke) und war somit an dritter Position. Im Ortskern von Zernez ging es dann um eine scharfe Rechtskurve und ich kam leider nicht mehr vorbei, da das Ziel zu schnell auf mich zukam :-) So bin ich mit zwei zehntel Rückstand auf den Drittplatzierten knapp am Podium vorbeigeschrammt. Egal - jemand der sich für die lange Strecke angemeldet hat, gehört auch auf kein Podium der kurzen Strecke!

Viele Überraschungen gab es dann bei der Zielankunft der Langstreckenfahrer. Marc Lipowitz aus Erbach hat die übrigen Favoriten an die Wand gefahren. Mit einer Fabelzeit von nicht einmal 6 1/4 Stunden, konnte er die sehr anspruchsvolle Strecke (211 KM / 3.827 HM) zurücklegen. Der pure Wahnsinn: Er hat dem zweiten Paul Lindner deutlich mehr als 10 Minuten abgenommen. Leider wurden im vorderen Bereich noch einige Fahrer wegen einer (angeblich) roten Ampel disqualifiziert, darunter leider auch Bekannte von mir, wie Philip Götsch und Frank Haun. Durch die Disqualifikationen wurde jedoch ein anderer Bekannter (Helmut Czvitkovics) dritter. Als mir bei der Siegerehrung der langen Strecke klar wurde, wie viele Topfahrer entweder disqualifiziert wurden oder mit Krämpfen dem unglaublich hohen Anfangstempos Tribut zollen mussten, wäre sogar noch eine Topplatzierung sowohl im Rennen als auch in der Alpencup-Gesamtwertung drin gewesen. Im Nachhinein ist man jedoch immer schlauer :-)

Verflixt - jetzt ist der Bericht doch wieder viel länger geworden als oben angekündigt. Ich möchte dennoch nicht versäumen, dem Radmarathon- und Alpencup-Sieger Marc Lipowitz meine Gratulation und Anerkennung auszusprechen. Als ich nach dem Duschen die Zielankunft der Erstplatzierten (lange Strecke) angeschaut habe, war ich von der Atmosphäre im Zielbereich beeindruckt. Begeistert habe ich (als Fan am Straßenrand) die Emotionen aufgesaugt und mich gleichzeitig daran erinnert, wie viel schöner es noch ist, dieses Gefühl als Fahrer zu erleben. Aus diesem Grund werde ich alles in meiner Macht stehende unternehmen, um im nächstes Jahr eine ähnliche Erfahrung auf dem Rad und nicht am Straßenrand erleben zu dürfen.

In den nächsten Wochen werde ich wahrscheinlich noch einen Wettkampf auslassen und ausschließlich trainieren, um pünktlich zur Deutschland Tour nochmals in Form zu kommen. In dieser Zeit wird es voraussichtlich auch keine Berichte geben, aber... Heute ist nicht aller Tage – ich komm wieder keine Frage!


Traurige Nachricht
Leider ist nach Radstadt auch beim Engadin-Radmarathon schon wieder ein Radfahrer tödlich verunglückt. Wie dem Internetbericht des Magazins www.20min.ch zu entnehmen ist, kam der 50-jährige Deutsche bei der Abfahrt vom Forcola di Livigno von der Straße ab und stürzte in ein Bachbett.

Ich habe lange überlegt, ob ich diese Nachricht in meinen Bericht aufnehmen soll. Mir ist außerdem bewusst, dass diese Information nicht zur euphorischen und scherzhaften Schreibweise der oberen Absätze passt. Doch dieser Gegensatz bzw. Kontrast soll mir und vielleicht auch anderen Lesern nochmals vor Augen führen, wie gefährlich so ein Wettkampf ist und wie unwichtig Platzierungen oder Disqualifikationen auf einmal werden können.


Ergebnisliste (Platz 4 | 02:38:27 h)