"eine Leidenschaft, die Leiden schafft"
Berchtesgadener Land Radmarathon (2010)

"eine Leidenschaft, die Leiden schafft"

Die selbe Fahrzeit wie im letzen Jahr

Am Samstag ging es nach Nauders zum Dreiländergiro. Mit an Bord waren dieses Jahr Martin und Winne. Nachdem das Vorjahreshotel Edelweiß bereits ausgebucht war, residierten wir königlich im Tirolerhof. Martin mustert sich derzeit zum Trainingsweltmeister, was er mit zwei Runden um den Reschensee am Samstag unter Beweis stellte. Die faule Fraktion (Winne und ich) mussten währenddessen das Sofa bewachen und das Fernsehgerät (inkl. Premiere) testen. Nicht überrascht, aber immer wieder aufs Neue begeistert waren wir bei der Abholung der überdimensionierten Startnummer. Wenn dieses Plakat von einer Startnummer erst einmal am Rennradlenker angebracht ist, dürften die wochenlangen Tests im Windkanal überflüssig gewesen sein ;-) Mehr gab es am Samstag nicht zu regeln, lediglich ein sehr delikates Abendessen musste noch eingenommen werden. Nachdem wir uns durch alle Gänge gespeist hatten, wurde die Nachtruhe eingeleitet. Diese wurde jedoch von grölenden Einheimischen unterbrochen, so dass ein erholsamer Schlaf nicht möglich war.

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Der Gepatsch-Stausee auf dem Weg zum Kaunertaler Gletscher

Pünktlich um 05:00 Uhr kündigten mehrere Wecker in unserem Zimmer einen noch sehr jungen Tag an. Nach einem sehr reichhaltigen und leckeren Frühstück machten wir uns für die Torturen des Tages bereit. Bis wir uns jedoch endlich unten im Startbereich eingefunden hatten, konnten wir uns nur noch etwas weiter hinten einreihen. Mit einer perfekt durchdachten "Vordrängel-Taktik" kam ich jedoch auf der Außenbahn noch relativ weit vor. Nach dem Startschuss musste ich mein Fahrrad erst einmal zwei Minuten schieben, bevor ich das Vorkriegsmodell von einem Zeitmesssystem passieren konnte. Danach galt es so schnell wie möglich zur Führungsgruppe aufzuschließen. Das Feld war glücklicherweise etwas bummelnd unterwegs, so dass ich mich bereits am Grenzübergang vorne einreihen konnte. Nach der Reschenpassabfahrt fuhren wir A-Strecken-Fahrer ohne Umwege in Richtung Prad, welches den Beginn der bevorstehenden Qualen markierte. Ab hier hieß es dann für über 2.000 Radler einen der höchsten Pässe des gesamten Alpenmassives zu bezwingen.

Das Stilfserjoch ist mit seinen 2.760 Metern Höhe nicht gerade ideal für jemanden, der sich derzeit am Berg nicht sonderlich fit fühlt! Egal - ich wollte so lange wie möglich an der Spitzengruppe dran bleiben. Den Ort Trafoi konnte ich noch mit den schnellsten Fahrern durchqueren, aber bereits bei Kehre 39 von 48 (wird rückwärts gezählt) habe ich die Führungsgruppe ziehen lassen. Mit nur einem km/h und zwei Herzschlägen weniger, fühlte ich mich wieder wohl auf dem Rad und konnte so gleichmäßig gen Gipfel stürmen. Kehre für Kehre sah ich die Spitzengruppe langsam entschwinden, aber ich sah auch, wie immer mehrere Fahrer abreißen lassen mussten. Das wiederum kam mir sehr entgegen. Wenn möglich, wollte ich nach vorne in eine Gruppe aufschließen und nicht warten, bis sich von hinten wieder eine Gruppe bildet. Fakt ist nun mal: Am Ofenpass, jedoch aller spätestens im Engadin benötigt man eine Gruppe. Ein paar Kehren vor mir konnte ich zu diesem Zeitpunkt bereits vier einzelne Fahrer zählen. Das Problem war nur: Wenn man beim Hochfahren nicht mithalten kann, muss man bei der Abfahrt mehr riskieren. Gedacht - getan! Meine größten Schwierigkeiten hatte ich wie jedes Jahr auf der Naturstraße am Umbrailpass. Obwohl dieser ungeteerte Weg in einem sehr guten Zustand war, darf man sich hier kaum Lenkbewegungen erlauben, ohne ab zu fliegen. Nachdem ich einem aus dem Nichts kommenden Auto in letzter Sekunde ausweichen konnte, verlief die restliche Abfahrt reibungslos und war dazu noch recht erfolgreich. Im Talort St. Maria konnte ich bereits zu einer Gruppe mit vier Fahrern aufschließen.

Zu fünft nahmen wir uns nun den Ofenpass vor. Wir sammelten noch an verschiedenen Stellen zwei weitere Fahrer auf, verloren jedoch auch nochmals einen. Meist waren wir jedoch fünf Fahrer und viel weniger sollten es für die flachen 40 Kilometer im Engadin auch nicht sein. Auf diese Strategie hat sich unsere Gruppe noch während der Auffahrt zum Offenpass geeinigt. Damit die Gruppe nicht schon am Ofenpass auseinander fiel, drosselten wir unser Tempo und passten es dem schwächsten Glied der Kette an. Nach Zernez haben wir dann die Geschwindigkeit forciert und mit abwechselnden Windkreiseln stabilisiert. Die vielen Bodenwellen und kurzen Anstiege haben wir energisch hinter uns gebracht, denn eines war klar: Wenn man es im Engadin nur ein weinig ruhiger angehen lässt, kann man in kürzester Zeit von einer größeren Gruppe überrollt werden. So konnten wir uns also keine Nachlässigkeiten gönnen und sind mit vereinten Kräften nach Martina gefahren. Hier stand die letzte Prüfung des Tages auf dem Programm - die Norbertshöhe. Über die Jahre hinweg habe ich diesen letzten Anstieg gelernt zu hassen, da ich an dieser Stelle nie mehr die nötigen Energieressourcen bzw. Kräfte zur Verfügung hatte. Doch dieses Jahr hatte ich mich noch während der Anfahrt durchs Engadin auf die Norbertshöhe gefreut. Mit vollem Schwung, großem Gang und kraftvollem Wiegetritt fuhr ich als Gruppenerster in den Anstieg rein. Am Besten die Anderen sofort mit einem kraftvollen Antritt beeindrucken, hieß die Devise. Ich fühlte mich noch relativ gut und so stand einer erfolgreichen Attacke nichts im Wege. Mit einem kleinen Vorsprung habe dann ich die Norberthöhe erreicht und ab da (weiß jeder Dreiländergiro-Fahrer) hat man es geschafft. Mit einer Nettozeit von 5 Stunden und 29 Minuten habe ich das langersehnte Ziel erreicht, was übrigens genau meiner Fahrzeit aus dem Vorjahr entsprach. Letztes Jahr sprang mit dieser Zeit ein 6. und dieses Jahr ein 8. Platz in der Gesamtwertung heraus.

Ich bin jedenfalls zufrieden, da ein klarer Aufwärtstrend zu erkennen ist. Nach dem Auslesen der Tachodaten kam jedoch noch eine kleine Überraschung zum Vorschein: Ich habe während des gesamten Rennens meinen Spitzenpulsbereich nicht einmal berührt, selbst im Entwicklungsbereich habe ich mich nicht sonderlich lange aufgehalten. Bis zu diesem Tag hatte ich noch nie einen Wettkampf ohne den höchsten Pulsbereich absolviert. Das wiederum passt zu meiner derzeitigen Situation: Ich kann zwar ordentliche Leistung im unteren Pulssegment abrufen, jedoch keine Spitzenergebnisse im oberen Pulsbereich erreichen. Aber keine Sorge, ich arbeite daran ;-)

Am Mittag nach dem Wettkampf habe ich mir dann auf der Hotelterasse noch einen höllischen Sonnenbrand :-( eingefangen, aber ohne diesen Sonnenbrand hätte ich ja nichts zum jammern gehabt, da ich mich ansonsten körperlich und muskulär sehr wohl gefühlt habe. Abends gab es noch ein Galadinner zu meistern, was aber auch kein größeres Problem darstellte.

Am nächsten Morgen stand folgendes auf dem Programm und zwar in dieser Reihenfolge: Aufstehen, Frühstücken, Packen, Auschecken und nach Prutz fahren. Von Prutz aus wollten wir, wie im letzten Jahr, noch den wunderschönen Kaunertaler Gletscher erklimmen. Der Wetterumschwung war bereits angekündigt, aber zu Beginn der Tour sah es noch recht freundlich aus. Man könnte sogar sagen, das Wetter war für sonnenbrandgeplagte Radfahrer etwas zu heiß ;-) Nach dem passieren der Mautstelle haben wir auf 1.760 Metern Höhe am Gepatsch-Stausee nochmals eine kurze Pause gemacht, bevor es am See entlang in Richtung Gletscher ging. Es galt nun immer noch 1.000 Höhenmeter zu bewältigen, wir brachten es aber leider nur auf ca. 600. Denn ab dieser Höhe fing es an stärker zu regnen und das Wolkenbild über dem Gletscher verhieß nichts Gutes. Da wir die Passhöhe bereits im letzten Jahr bei gutem Wetter, Kaffee und Kuchen genießen durften, haben wir uns dieses Jahr für eine Umkehr entschlossen. Ein schneller Wetterumschwung bzw. Sturm oder Hagel können auf einem Gletscher in über 2.700 Metern Höhe doch sehr unangenehm werden. Außerdem waren wir nicht für eine Abfahrt mit arktischen Klimawerten ausgerüstet. So fuhren wir wieder zurück zum Auto und konnten am Ende wenigstens 1.500 Höhenmeter und 68 Kilometer auf der Habenseite des Trainingstagebuches vermerken.

Wenn jetzt noch die Ergebnisliste korrigiert wird, steht einer Wiederholung nichts im Weg!

Ergebnisliste (Platz 8 | 05:29:12 h)