"eine Leidenschaft, die Leiden schafft"
Berchtesgadener Land Radmarathon (2010)

"eine Leidenschaft, die Leiden schafft"

2. Trainingslager in Dorf Tirol

Um diese Jahreszeit gab es eigentlich nicht viele Möglichkeiten für ein Bergtrainingslager. Uns fiel nur Südtirol ein, hier waren sowohl angenehme Temperaturen, viele Berge und vor allem freie Passstraßen vorhanden.

So machten sich Martin und ich auf den Weg in Richtung "Bella Italia". Unser Quartier bezogen wir in Dorf Tirol. Dieser Ort liegt auf einem kleinen Berg in der Nähe von Meran. Von dort aus konnten wir täglich unsere Touren starten. Außer an den letzten beiden Tagen, da sind wir mit dem Auto in die Dolomiten gefahren.

2006_trainingslager_dorf_tirol_tag02_005
Auffahrt zum Penser Joch


Trainingsdaten

In einem Bergtrainingslager heißt es natürlich Höhenmeter fressen, so konnten wir in 6 Tagen 19.673 Höhenmeter und 793 Kilometer einfahren.


Tourenübersicht

01 Tag: Gampenpass, Brezer Joch, Hofmahd (139 KM | 3.477 HM)
02 Tag: Penser Joch, Jaufenpass (163 KM | 3.593 HM)
03 Tag: Karneider Bergstraße, Karerpass, Salten (172 KM | 4.051 HM)
04 Tag: Rafensteiner Weg, Alter Jenesier Weg (100 KM | 1.971 HM)
05 Tag: St. Ulrich, Sella-Ronda (78 KM | 2.325 HM)
06 Tag: Fedaia, Giau, Falzarego, Pordoi (141 KM | 4.256 HM)


Tag 01: Samstag, 06.05.2006
Gampenpass, Brezer Joch, Hofmahd

Als "Einrolltour" wollten wir den Gampenpass fahren. Auf der Internetseite www.quaeldich.de habe ich westlich vom Gampenpass noch den Parallelpass Hofmahd gefunden. Den Hofmahd wiederum erreicht man jedoch nur über das Brezer Joch. Das Problem bei der ganzen Geschichte war, dass auf unseren Karten weder ein Hofmahd noch ein Brezer Joch eingezeichnet war. Von dieser Kleinigkeit ließen wir uns jedoch nicht abhalten. Nach dem Gampenpass und einer kleinen Schleife südlich von Fondo ging es über das recht steile Brezer Joch in Richtung Hofmahd.

Bei der Abfahrt nach Laurein fing es bereits an zu regnen und es wurde kälter. Nachdem wir durchnässt auf der Hofmahd-Passhöhe angekommen waren, kam die Überraschung des Tages. Ein Tunnel mit einer Länge von 1,7 Kilometer war nicht beleuchtet. Umkehren kam nicht in Frage, da wir ansonsten wieder übers Brezer Joch und den Gampenpass hätten fahren müssen. Wir sind dann wohl oder übel durch den stockdunklen Tunnel gelaufen. Man konnte wirklich nicht erahnen, ob man sich auf der linken Seite, der rechten Site oder auf der Straßenmitte befand. Als wir das Licht am Ende des Tunnels endlich sahen, kam der nächste Schock. Es war nun nochmals wesentlich kälter geworden und die anstehende Abfahrt machte nicht wirklich Spaß.

2006_trainingslager_dorf_tirol_tag01_005
Brezer Joch


Tag 02: Sonntag, 07.05.2006
Penser Joch, Jaufenpass

Am zweiten Tag ging es zunächst auf flachem Terrain in Richtung Bozen. Von dort aus fuhren wir dann durchs Sarntal in Richtung Penser Joch. Auf der 50 Kilometer langen, jedoch nicht sehr steilen Straße, zeigte sich der eigentliche Charakter einer Passstraße erst am Ende. Die letzten paar Kilometer schlängelte sich der Weg mit ein paar Kehren nach oben. Auf der Passhöhe angekommen, gab es zuerst mal einen Kaffee und Kuchen im "Alpenrosenhof" auf 2211 Metern. Die darauf folgende Abfahrt nach Sterzing war wesentlich kürzer und somit auch steiler als der Aufstieg von Bozen aus.

In Sterzing angekommen, haben wir uns nur kurz unserer langen Jacken entledigt, bevor es dann sofort in den Aufstieg zum Jaufenpass ging. Die Auffahrt mit über 1.100 Höhenmeter war sehr gleichmäßig und angenehm. Oben angekommen gab es kurz ein Erinnerungsfoto mit dem Passschild, bevor wir uns wieder auf die Abfahrt in Richtung St. Leonhard machten. Nach weiteren zwanzig welligen Kilometern sind wir wieder im schönen Tirolo angekommen.

2006_trainingslager_dorf_tirol_tag02_021
Penser Joch - die letzten Meter

2006_trainingslager_dorf_tirol_tag02_009
Alpenrosenhof auf dem Penser Joch


Tag 03: Montag, 08.05.2006
Karneider Bergstraße, Karerpass, Salten

Unser Tagesziel hieß den Karerpass hoch, den Nigerpass runter und dann "schau'mer mal". Als wir in Bozen ankamen, standen wir vor dem ersten Hindernis. Die eigentliche Straße in Richtung Eggental führte durch einen Tunnel, welcher natürlich für Radfahrer gesperrt war. Auf der Suche nach einer anderen Straße wurden wir in Kardaun fündig. Direkt im Ort ging ein zweifelhaft beschilderter Weg sehr steil einen Berg hoch. Mit einem unsicheren Gefühl fuhren wir auf dieser Straße in Richtung Karneid. Zu diesem Zeitpunkt wussten wir noch nicht, was das für eine glückliche Entscheidung war. Die Karneider Bergstraße dürfte von Bozen aus wohl die verkehrsärmste und landschaftlich schönste Anfahrt zum Karerpass sein. Zumindest ist sie sehr viel schöner zu fahren als die eigentliche Karerpassstraße.

Das Wetter auf der Passhöhe war nicht sonderlich gut, so dass wir uns gleich wieder auf den Weg zum Nigerpass gemacht haben. Zunächst sind wir die neue Nigerpassstraße runter gefahren. Nach Tiers jedoch sind wir links auf die alte Nigerpassstraße abgebogen. Aktennotiz: Beim nächsten Mal muss ich diesen Weg unbedingt hochfahren, die Steigung von weit mehr als 20% ist der Wahnsinn. Unten in Blumau angekommen ist es nur noch ein Katzensprung zurück nach Bozen. Und da dachten wir uns: Von Bozen aus flach nach Meran zurückfahren kann jeder. Aus diesem Grund wollten wir über den Salten nach Meran fahren. Der Salten ist ein mit ausgedehnten Almen und Wiesen bestücktes Hochplateau, das zwischen Etschtal und Sarntal gelegen großartige Rundblicke auf die benachbarten Bergkämme bietet. Einen Großteil der 1.100 Höhenmeter werden sofort über die neue Jenesier Straße, welche sich direkt von Bozen aus in die Höhe schraubt, zurückgelegt. Im Bergdorf Jenesien angekommen geht es dann über Flaas sehr wellig weiter in Richtung Hafling, welches die Heimat der bekannten Haflinger Pferde ist. Von Hafling aus führt die Straße sehr schnell und steil wieder nach Meran runter.

2006_trainingslager_dorf_tirol_tag03_004
Martin auf dem Karerpass


Tag 04: Dienstag, 09.05.2006
Rafensteiner Weg, Alter Jenesier Weg

Die ganze Nacht hat es schon geregnet und es sah nicht so aus, als ob sich an diesem Tag daran noch mal was ändern würde. Egal, für so einen Tag hatte ich mir genau das richtige Projekt ausgesucht. Wie im Denzel (Bibel der Alpenpässe) zu lesen war, gingen die zwei steilsten öffentlichen Straßen Südtirols von Bozen aus in die Höhe. Bei den im Denzel veröffentlichten Dauersteigungen von über 30%, war das natürlich mit einem Rennrad nicht zu schaffen. Unser Hotel hatte in der Tiefgarage 2 mountainbikeähnliche Baumarkt- bzw. Supermarkträder, welche das Prädikat "extra schwer" verdient hätten. Eines der beiden Topräder habe ich mir für diese Tour ausgeliehen. Meinen Trainingskollegen konnte ich jedoch nicht überzeugen, bei diesem Wetter aufs Rad zu steigen. So bin ich mit meinem "Eisenrad" bei Dauerregen in Richtung Bozen gefahren. Bereits bei der Hinfahrt wurde folgendes klar: Mit meinen Mountainbikeschuhen (inkl. Schuhplatten) fand ich auf den normalen Plastikpedalen ohne Klicksystem keinen Halt. Da ich aber schon komplett durchnässt war, wollte ich die Tour nicht mehr abbrechen.

Aber wie kommt man die steilsten Straßen der Region hoch, wenn man laufend abrutscht? Indem man seine Schuhe vor dem Aufstieg auszieht und nur mit den Socken weiterradelt. Gesagt - getan! Als erstes habe ich mir den Rafensteiner Weg ausgesucht, da dieser wohl noch schwerer zu bezwingen war als der alte Jenesier Weg. Nach knapp einem halben Kilometer war klar diesen Weg kann ich zumindest mit Socken und diesem Fahrrad nicht ohne abzusteigen hochfahren. So habe ich das Fahrrad immer wieder geschoben (wohlgemerkt mit Socken), dann bin ich wieder gefahren und so weiter. Im oberen Teil wurde es etwas flacher und ich konnte den Rest noch fahrend zurücklegen. Über die neue Jenesier Straße ging es wieder nach Bozen runter. Die Abfahrt war bei Regen, Nebel und ohne Schuhe jedoch sehr kalt. Unten angekommen wurde mir jedoch sehr schnell wieder warm, da ich sofort den alten Jenesier Weg in Angriff nahm. Dieser war sehr viel länger, aber dafür nicht ganz so steil und somit fahrbar. Irgendwann wurde nochmals die neue Straße überquert, bevor ich dann kurz vor Jenesien erneut wieder auf diese Straße kam. Für die bevorstehende Abfahrt habe ich meine Schuhe wieder angezogen. Die Abfahrt war jedoch alles andere als angenehm, da es nochmals kälter wurde und man kaum 5 Meter durch den Nebel sehen konnte. Nach weiteren flachen 20 Kilometern bei starkem Gegenwind war ich wieder in Tirolo. Zum Glück hatte unser Hotel eine Sauna und so konnte ich mich wieder schnell aufwärmen.

2006_trainingslager_dorf_tirol_tag04_002
Rafensteiner Weg...

2006_trainingslager_dorf_tirol_tag04_005
...mit einer durchschnittlichen Steigung von 33%

2006_trainingslager_dorf_tirol_tag04_011
Alter Jenesier Weg...

2006_trainingslager_dorf_tirol_tag04_013
...mit einer durchschnittlichen Steigung von 22%


Tag 05: Mittwoch, 10.05.2006
St. Ulrich, Sella-Ronda

Am fünften Tag stand die erste Dolomitentour auf dem Programm. Was liegt da näher als erst mal die weltbekannte Sella Ronda zu fahren. Diese Route, welche die Bewohner der rundumliegenden Dolomitengebiete über vier Pässe hinweg miteinander verbunden hat, bezeichnete man in der hier gesprochenen ladinischen Sprache schon damals als die Sella Ronda. Noch heute bedeutet dieser Name die Umrundung des Sallamassives.

Natürlich konnten wir diese Tour nicht von Tirolo aus fahren. So sind wir erst mit dem Auto bis nach St. Ulrich gefahren und von dort aus ging es mit dem Rad weiter. Nach ein paar Kilometern kamen wir nach Wolkenstein, die oberste Ortschaft des Grödnertals, umgeben von den Geislerspitzen, dem Langkofel und dem Sellamassiv. Über eine Kehre mit 10% Steigung haben wir den Ort in Richtung Berge verlassen. Schon nach wenigen Kilometern kamen wir beim Hotel "Miramonti" an eine Straßenkreuzung, welche den eigentlichen Beginn der Sella Ronda darstellt. Wenn man links fährt, kommt zuerst das Grödner Joch, der Campolongopass, das Pordoi Joch und am Schluss das Sella Joch. Wenn man rechts fährt, kommen die Pässe natürlich in umgekehrter Reihenfolge.

Wir haben die übliche Variante links zum Grödner Joch gewählt. Nach einem Steigungsstück mit 8 Prozent bis zum Hotel "Gerard" konnten wir auf einem fast 2 Kilometer langen Flachstück unterhalb der Sella-Nordseite wieder etwas Geschwindigkeit aufnehmen, bevor wir die Passhöhe über eine Kehrengruppe mit 8 Prozent Steigung wieder erarbeiten mussten. Es folgte nun eine Abfahrt mit einem Gefälle von bis zu 12 Prozent hinab bis Corvara. Sehr gleichmäßig ansteigend führte nun die Straße bis zur Passhöhe des Passo di Campolongo. Die folgenden 5 Kehren mit 10 Prozent Gefälle hinunter nach Arabba kamen einem etwas wenig vor, doch das sollte sich gleich ändern. Es folgten nämlich exakt 33 Kehren bei der Auffahrt zum Pordoi Joch. Die Pordoiabfahrt endete allerdings schon nach 4,5 Kilometern bei der Abzweigung zum Sella Joch, wobei es die letzten 6 Kilometer des Tages mit Steigungsspitzen bis zu 11 Prozent dann nochmals in sich hatten. Als wir oben auf dem Sella Joch ankamen wurden wir mit einer grandiosen Aussicht für die Mühen der Tour entlohnt. Die folgenden Kilometer gingen dann nur noch bergab, bevor die Tour in St. Ulrich ihr Ende fand.

2006_trainingslager_dorf_tirol_tag05_003
Das Sellamassiv von Wolkenstein aus fotografiert

2006_trainingslager_dorf_tirol_tag05_005
Unverkennbare Erscheinung - Dolomitenberge

2006_trainingslager_dorf_tirol_tag05_010
Auffahrt zum Grödner Joch



Tag 06: Donnerstag, 11.05.2006
Canazei, Fedaia, Giau, Falzarego, Pordoi

Nach den faszinierenden Eindrücken des Vortages, wollte ich unbedingt nochmals in die Dolomiten. Diesmal hieß der Ausgangspunkt Canazei, welchen wir mit dem Auto über Bozen und den Karerpass erreichten. Wieder auf dem Fahrrad sitzend ging es zunächst in Richtung Fedáiapass. Dieser war mit seinen moderaten Steigungen ideal für den Anfang einer Tour. Nach einer sehr hitzigen Auffahrt, war ich oben angekommen etwas verwundert, das der Stausee immer noch komplett zugefroren war. Am Stausee entlang ging es durch eine Galerie und dann in eine schnelle Abfahrt nach Caprile.

Nach dem Entledigen der langen Jacken, wollten wir den Giaùpass in Angriff nehmen. Leider gab es von Caprile aus eine Umleitung, welche uns zuerst noch über den Colle S-Lucia führte. Nach einer kurzen Abfahrt kamen wir aber wieder auf die eigentliche Straße des Giaupasses. Dieser Pass ist für jeden Radfahrer nur zu empfehlen, da er landschaftlich wunderschön und vor allem sehr verkehrsarm ist. Die meisten Auto- und Motorradfahrer nutzen nämlich den Parallelpass Falzárego, so dass uns während der gesamten Auffahrt nur 3 Autos überholt haben. Umso höher wir kamen umso weißer wurde die Umgebung. Auf den letzten Metern vor der Passhöhe durchfuhren wir tatsächlich einen richtigen Schneekanal. Durch das gute Wetter an diesem Tag waren die Temperaturen jedoch erträglich und die Straßen glücklicherweise frei.

Auf der folgenden Abfahrt kamen wir in Höhe von Pocol auf die Falzaregopasstraße. Natürlich bin ich den Falzaregopass ganz runter gefahren, bis nach Cortina d' Ampezzo. Nach ein paar Fotos habe ich wieder kehrt gemacht und bin den Falzaregopass wieder vorbei an Pocol nach oben gefahren. Weiter oben gab es am Straßenrand noch eine Kriegergedenkstätte und mehrere zerbombte Stellungen aus dem 1. Weltkrieg zu sehen. So kamen wir auch historisch auf unsere Kosten. Auf der Falzaregopasshöhe angekommen, ging es aber noch weiter bergauf und zwar zum Valparolapass. Die noch fehlenden 50 Höhenmeter haben wir natürlich auch noch erklommen. Nach einem kurzen Stop und weiteren Fotos ging es in die Valparolaabfahrt.

Unten in Stern angekommen waren es nur noch ein paar flache Kilometer nach Corvara. Diesen Ort und den darauf folgenden Anstieg zum Campolongopass kannte ich ja bereits vom Vortag. Nun ging es nach Arabba runter und die bereits erwähnten 33 Kehren zum Pordoi Joch wieder hoch. Im Gegensatz zum Vortag konnte ich die Pordoiabfahrt diesmal komplett genießen, da wir nicht in Richtung Sella abbiegen mussten. Die Abfahrt endete direkt in Canazei und somit war diese wunderschöne und beeindruckende Tour auch vorbei.

2006_trainingslager_dorf_tirol_tag06_010
Die letzten Meter vor der Giaupasshöhe

2006_trainingslager_dorf_tirol_tag06_023
Cortina d' Ampezzo

2006_trainingslager_dorf_tirol_tag06_026
Gedenkstätte und Kapelle

2006_trainingslager_dorf_tirol_tag06_031
Zerbombte Stellungen am Falzaregopass
2006_trainingslager_dorf_tirol_tag06_044
Dieses Zeitzeugnis auf dem Valparolapass wird demnächst als Museum genutzt


Was ist hängen geblieben?

Seit den letzten beiden Trainingstagen gehen mir die Dolomiten nicht mehr aus dem Kopf. Diese Gegend ist einfach wunderschön und die vielen Zeitzeugnisse aus dem 1. Weltkrieg verbinden die Vergangenheit auf faszinierende Weise mit der Gegenwart. Ich kann nur jedem empfehlen einmal mit dem Rad oder Motorrad in die Dolomiten zu fahren.